Ziele der städtebaulichen Rahmenplanung bzw. Quartiersplanung
Wie in der Aufgabenstellung vom 8. Februar 2010 vorgegeben, sollen (Zitat): „die Ergebnisse aus der städtebaulichen Planung für die Quartiere 8 und 15 als Grundlage der Erarbeitung eines qualifizierten Bebauungsplanes für die entsprechenden Bereiche dienen. Das zu untersuchende Areal befindet sich in einem sensiblen und für das denkmalgeschützte Gesamtensemble der Altstadt herausragenden Bereich. (…) Dieser städtebaulich wichtige Bereich im Umfeld des Altenburger Marktes liegt in förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet „Altstadt Altenburg“, im Geltungsbereich der Erhaltungssatzung und Gestaltungssatzung für die Altstadt Altenburg sowie im Denkmalensemble Kernstadt Altenburg und bedarf eines sensiblen Umgangs mit den Stadtstrukturen. Ein weiterer wichtiger Grund für die Erarbeitung eines städtebaulichen Rahmenplanes ist die Entwicklung und Bebauung des sog. „Areal am Markt“ (Quartier 8).“
Der stadtplanerischen Logik folgend, wurde am 19. November 2009 genau dieser Beschluss Nr. 92/09 gefasst, in dem es heißt, dass vor Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Areal am Markt“ ein städtebaulicher Rahmenplan in der Einheit der Quartiere 8 und 15 zu erarbeiten sei (siehe auch hier).
Diesem Anspruch wurde das städtebauliche Konzept Quartier 8 und 15 des Büro Quaas nicht gerecht.
In den Variantenuntersuchungen wurde nicht der erforderliche Bezug zu den in der Altstadt geltenden obengenannten Satzungen bzw. in der Stadt vorliegenden Planungen genommen (Rahmenplan Stadtboden, Städtebauliche Studie „Quartier am Markt“ des Büro Hugk+Sellengk von Juli 2009, Machbarkeitsstudie Parkierungsanlage Topfmarkt des Büro von Mörner+Jünger von 2009).
Im Rahmen der öffentlichen Beteiligung im August 2010 wurden vom Stadtforum Altenburg Alternativvorschläge für die Bebauung des Quartiers 8 und Spiegelgasse eingereicht.
Besonders tragisch ist, dass die städtebauliche Studie für die zwei Quartiere der Architekten Hugk+Sellengk von 2009, die weitreichender als das städtebauliche Konzept von Büro Quaas die Konflikte und Potentiale im Umgang mit der historischen Stadtstruktur herausarbeitete, ignoriert wurde. Während das Büro Quaas in den Varianten 3, 4 und 5 den Erhalt der Denkmale im Quartier 8 bei Auslagerung der Tiefgarage/Stellplätze empfiehlt und zu der logischen Aussage kommt, dass mit dem Parkhaus im Quartier 15 (Zitat): „der Hauptkritikpunkt an der derzeitigen Planung zum Marktquartier, nämlich den Abbruch des Einzeldenkmals bei der Brüderkirche 9 zugunsten einer Tiefgarage entschärft würde“, wird aus unerklärlichen Gründen in den vertiefenden Varianten A, B1 und B2 eine Kehrtwende gemacht, in dem die Planung von Büro Dr. Kotusch mit dem Abbruch der Denkmale ohne nennenswerte Bewertungen und Begründungen übernommen wird.
Warum wird dann die städtebauliche Planung als das Konzept der Quartiere 8 und 15 verkauft, wenn nur Quartier 15 weiter bearbeitet wird?
Variantenherleitung
Die Variantenuntersuchungen stellen Szenarien dar, ohne eine Überlagerung der städtebaulichen Einzelpläne für Verkehr, Nutzung, Konflikte, Raumbild, historische Stadträume, Denkmalschutz und andere zu einem räumlichen Gesamtplan zu erstellen. So werden Teilszenarien vermischt ohne stadtgestalterische und nutzungsfunktionale Zusammenhänge. Zudem werden die Variantenuntersuchungen stadtplanerisch fragwürdig, wenn die Planung von Büro Dr. Kotusch unberührt bleibt – ohne Berücksichtigung der Wechselbeziehungen zum Quartier 15. Die Leistungsfähigkeit beider Quartiere, wie irreführend als Quartierskonzept 8/15 bezeichnet, wird überhaupt nicht untersucht.
Planungsziele
Erhalt bzw. Wiederherstellung der denkmalgeschützten Stadtstruktur
Einzige planerische Bezugnahme auf die Denkmaleigenschaft des Plangebietes ist die obligatorische Kartierung der Kategorie, ohne Hinweis auf den besonderen Schutz. Eine einheitliche Bewertung der Baudenkmale im Quartier 8 mit „schlechtem Bauzustand“ beweist die fehlende Objektivität des Planers in Bezug auf das „Areal am Markt“.
Vorgelegt ist ein für jedes gewöhnliche Stadtgebiet übliches Standardplanungskonzept, dass die Besonderheit des städtebaulichen Bereiches – als Träger von Denkmaleigenschaften der Objekte und Strukturen – in allen planerischen Zielsetzung unberücksichtigt lässt. Folgerichtig werden weitere Abrisse von werthaltigen baulichen Bestandteilen bspw. wie dem Barockhaus Bei der Brüderkirche 9 sowie dem klassizistischen Gebäude Klostergasse 5 und die Auflösung der feingliedrigen historischen Stadträume zur Methode.
Die Herausbildung attraktiver urbaner Stadträume
Die städtebauliche Raumbildung folgt einseitig den Ansprüchen der Verkehrserschließung und Abdeckung des Stellflächenbedarfs und der Umsetzung des Planvorhabens „Areal am Markt“ Quartier 8. Die Wirkungen der monofunktionalen, grobmaßstäblichen Bauobjekte im Raumbild, insbesondere aus dem Blickwinkel des Fußgängers, sind nicht dargestellt oder falsch wiedergegeben. Die bauliche Masse eines Parkhauses und die Monotonie der Fassaden zum Topfmarkt und zur neuen Klostergasse sprengen die Maßstäblichkeit in der Altstadt, selbst im Vergleich mit den Solitärbauten der früheren Schulen.
Die Auswirkungen der Verkehrsziele auf die Stadträume werden nicht dargestellt. In beiden städtebaulichen Varianten A und B1 sind die aus dem politisch wie stadtplanerisch gewollten 2-Richtungs-Verkehr resultierenden Raumbreiten (Mindestquerschnitt Klostergasse 9,5m, zusammengesetzt aus 5,5m Mindestquerschnitt Fahrbahn und je 2m Mindestquerschnitt der seitlichen Gehbahnen, zuzüglich der für Einbiegungen notwendigen Raumaufweitungen in Kreuzungsbereichen) weder den Planzeichnungen, noch den Bildmontagen, noch den textlichen Ausführungen zu entnehmen. Dargestellt werden Raumbreiten und Raumfronten zum Topfmarkt, die technisch und verkehrsplanerisch nicht realisiert werden können.
Diese offensichtlichen Widersprüchlichkeiten zwischen den „Strategien“ zur Bebauung und zum Verkehr werden in den Zielkonzepten und den Plankonzepten aller Varianten nicht aufgezeigt! Warum?
Planungsziel für das Quartier 8 ist die vollständige Umsetzung des vorliegenden Bebauungsplanes.
Das Plankonzept einer vollständigen Neubebauung nach Flächenabriss wird dem einschlägigen Zielkonzept (Strategie Bebauung und Freiraum) und allen in Betracht gezogenen Planungsvarianten alternativlos zugrunde gelegt. Die Definitionen des städtebaulichen Konzeptes stimmen jedoch nicht mit den Regelungen des Bebauungsplanes und dem ausführungsreifen Baukonzept überein.
Durch die wiederholte Begriffsverwendung „Stadthausparzelle“ (in der Legende Konzept Büro Quaas) soll ein Architekturbild suggeriert werden, das im Baukonzept und im Bebauungsplan nicht vorgesehen ist.
Planungsziel für die nordöstliche Brachfläche im Quartier 15 ist die Entwicklung von öffentlichen Erschließungsflächen und die Unterbringung des innerstädtischen Parkraumbedarfs in einer Großgarage.
Kerninhalt des vorliegenden Rahmenplanes bildet die „Opferung“ des hochwertigsten innerstädtischen Präferenzstandortes für den Wohnungsneubau in Verbindung mit ergänzendem Zentrumsbedarf (vergleichbar Quartier 8) und eine altstadtfremde Neubebauung für die primär gesetzten städtebaulichen Ziele der Unterbringung von massiertem ruhenden Verkehr (Monofunktion), der Neuanlage einer 2-spurigen Verbindungsstraße zwischen Topfmarkt und der Gerhard-Altenbourg-Straße und der Sicherung ausreichender Abstandsflächen gegenüber Baublock Quartier 8.
Im Ergebnis entspricht damit das Städtebauliche Konzept zu den Quartieren 8 und 15 allen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben Quartier 8 und den baulichen Verdichtungen in der Spiegelgasse entwickelten Anforderungen der Neubebauungen an das Umfeld und ignoriert alle fachlichen Beiträge und Untersuchungen von Folgewirkungen bei einer einseitig auf die Quartierentwicklung Quartier 8 fokussierten Planung.
Eine neue städtebauliche Qualität ist nicht ansatzweise erkennbar. Im Ensemble der denkmalgeschützten Solitärbauten Josephinum, Friedrichsgymnasium, Brüderkirche und der kleinteiligeren, in Teilen denkmalgeschützten Stadthäuser verschiedener Baustile zerstört die beabsichtigte Errichtung eines solitären 3-geschossigen Parkhauses (in der Dimension des Quartiers 8 und der Wirkung von ungegliederten Gewerbebauten am Stadtrand!) die historisch gewachsene städtebauliche Gefügeordnung. Die „Bekrönung“ des Topfmarktes durch ein maßstabsloses Nebenfunktionsgebäude ohne jegliche urbane Lebendigkeit an der topographisch erhabensten Stelle des Platzes ist städtebaulich rücksichtslos und banal zugleich. Dafür sind die Bauflächen zukünftig zu wertvoll.
Bewertung der Varianten
Variante 1
- Städtebaulich unvertretbare Auflösung der historischen Stadtstruktur mit harten geometrischen Formen begrünter Parkplätze (die Gestaltung entspricht den Parkplatzordnungen in Neubauwohngebieten bzw. Gewerbestandorten).
Variante 2
- Städtebaulich unvertretbare Auflösung der historischen Stadtstruktur mit landschaftsgärtnerischer Gestaltung der „Parke“ und „Grünanlagen“.
- Gestaltung ist nicht mehr tragfähig bei Berücksichtigung der gewollten 2-spurigen Verkehrserschließung Klostergasse – Gerhard-Altenbourg-Straße.
- Die dargestellte Wirkung der großvolumigen Bäume wird erst nach zig Jahren erreicht.
Variante 3
- Städtebaulich vertretbare Maximalausnutzung zur Wiederherstellung der historischen Raumstruktur zur Stärkung eines komfortablen Wohnstandortes im Stadtzentrum und stadtraumverträglichen Deckung des Bedarfs an ruhendem Verkehr.
- Beurteilung des historischen Überbauungsgrades ist falsch.
- Eine Überschreitung erfolgt hier nur durch die begrünten Parkdecks (vergleichbar Quartier 8 – Lösung des Büro Dr. Kottusch).
- Darstellung der Kopfbebauung Topfmarkt stimmt in keiner Weise mit dem dargestellten Grundriss und den in den Schnitten dargestellten vertikalen Funktionsgliederungen der zitierten Studie des Büros Hugk+Sellengk überein.
Variante 4
- Städtebaulich einseitige Ausrichtung auf eine vergröberte Neubildung der Klostergasse und des Raumschlusses Topfmarkt. Die Darstellung suggeriert einen engeren Stadtraum „Klostergasse“, als er tatsächlich bei einer 2-spurigen Straße und den zwingend erforderlichen seitlichen Gehbahnen gebaut werden muss.
- Der Überfahrtsbereich Klostergasse-Topfmarkt wird deutlich ausgeweitet werden müssen. Die Kopfbebauung Topfmarkt ist in der eingezeichneten Form nicht zu halten.
- Parkhaus und Parkhauszufahrt sind städtebaulich unverträglich. Der Platz Bei der Brüderkirche wird dauerhaft aufgelöst – Durchblick bis zur Schmöllnschen Straße.
- Die dargestellte Platzfront Topfmarkt sollte nicht das gestalterische Ziel sein.
- Die komplizierten Längs- und Quergefälle im Erschließungsraum Neue Klostergasse werden nicht aufgezeigt und daher wird auch kein Lösungsvorschlag unterbreitet.
Variante 5
- Städtebaulich unverträgliche Monofunktionalität und brutale Baukörpermassierung zum Topfmarkt und zur Neuen Klostergasse. Die Darstellung suggeriert auch hier einen engeren Stadtraum „Klostergasse“, als er tatsächlich bei einer 2-Spurigkeit der Klostergasse entstehen kann.
- Das Parkhaus übernimmt als altstadtfremder Solitär die Raumdominanz im Quartier 15. Die Raumbreiten sind nicht auf den benannten Erschließungsverkehr ausgelegt.
Vertiefende Varianten
Var. A aus Var. 2 (siehe im Konzept Büro Quass hier)
- Korn- und Topfmarkt bilden eine städtebauliche Einheit, so dass neben dem Raumabschluss nach Osten (Kornmarkt) auch der Topfmarkt nach Westen wieder in Anpassung an die umgebende Bebauung einen Blockrand erhalten sollte.
- Nicht nachvollziehbar ist die Auflösung der historischen Stadtstruktur im Johannisgraben und im Bereich der Neuen Klostergasse/Topfmarkt.
- Die ca. 2,0m hohe Stadtterrasse vor dem Großgrün stellt keinen wirklichen Raumabschluss des Topfmarktes dar.
- Die ausgewiesenen PKW-Stellplätze decken nicht den Bedarf, wobei die Stellplätze im öffentlichen Raum der Gerhard-Altenbourg-Straße und bei der Brüderkirche die Aufenthaltsqualität verschlechtern. So ist auch eine Stellplatz-Reserve vor der Brüderkirche inakzeptabel.
Var. B1 aus Var. 5 sowie Var. B2 aus Var. 4 (siehe im Konzept Büro Quaas hier und hier)
Für beide Varianten bleibt kritisch zu bewerten:
- Kommentarlose Übernahme der Planung „Areal am Markt“ sowie die Auflösung der historischen Stadtstrukturen im Bereich Neue Klostergasse/Topfmarktabschluss.
- Die Parkhäuser mit 150 bzw. 130 Stellplätzen sind zu gering ausgelegt. Entsprechend Machbarkeitsstudie des Büros von Mörner+Jünger von 2009 werden schon aus Wirtschaftlichkeitsgründen 180-200 Stellplätze empfohlen. Dabei verzichten die Verkehrsplaner auf eine Verkehrsführung über die neue Klostergasse und organisieren Ein- und Ausfahrt des Parkhauses über die Gerhard-Altenbourg-Straße.Zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum werden dabei keine zusätzlichen Stellplätze organisiert.
- Warum wurden diese Erkenntnisse nicht übernommen?
Zu Var. B1 im Besonderen
- Der Raumabschluss zum Topfmarkt mit Parkhaus als grober Baukörper im feingliedrigen historischen Raumgefüge bleibt unbefriedigend, da hilft auch kein zusätzlicher Aufbau mit Terrassencafe.
- Wie kommt der Planer zu der Erkenntnis (Zitat): „Diese Lösung zeigt auf, dass nicht zwingend eine komplette Bestandserhaltung notwendig ist, sondern dass auch aus einer wohlüberlegten Balance aus Abbruch und Neubau städtebaulichen Qualitäten erwachsen können.“
Zu Var. B2 im Besonderen
- Positiv zu verzeichnen ist der Erhalt der historischen Stadtstrukturen im Johannisgraben und das Versetzen des Parkhauses hinter den Topfmarktabschluss.
Fazit
Eine klarere Vorgabe in der Aufgabenstellung (Vorgabe A und B ist nicht nachvollziehbar) hätte die Bearbeitung von unnötigen Varianten ersparen können.
Die Variante 3, aufbauend auf der städtebaulichen Studie des Büro Hugk+Sellengk von 2009, in der Weiterbearbeitung verworfen, könnte den Anforderungen beim Bauen im historischen städtebaulichen Raum am Ehesten gerecht werden und sollte in der Bearbeitung der Variante B2 Berücksichtigung finden.
Zudem wäre der Alternativvorschlag des Stadtforums vom August 2010 dienlich.
Die Stellungnahme des Stadtforums zum Quartierskonzept hier als PDF.